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Ritter - Bauern- Bürger

750 Jahre Laufamholz

4. Die Siedlung

Wie es auch war: Die Siedlung Laufamholz ist älter als die Wasserburgen, die beide auch erst im Laufe des 15. Jh.s., als zwei Vesten eine neue Benennung nötig machten, zu einem eigenen Namen kamen. In der Siedlung dürfen wir sicherlich ein Produkt des Landesausbaus im 11./12. Jh. sehen. Kirchlich gehörte der Ort bis zur Errichtung der heutigen Gotteshäuser nach dem Zweiten Weltkrieg zu Mögeldorf, weltlich unterstand er bis zur Etablierung der genannten Reichsministerialen wie Mögeldorf dem Königshof Altdorf. Die Einheit der Herrschaft zerfiel im 14. Jahrhundert und am Ende des Alten Reiches werden hier die Nürnberger Patrizier den Ton angeben. Allerdings können sie die Zollern, die zu Kurfürsten und Königen aufgestiegenen Enkel der alten Burggrafen von Nürnberg, nie gänzlich ausschalten

Als altes dörfliches Zentrum stellt sich nach den Arbeiten Ansgar Witteks die heutigen Winner Zeile und die Hirschbacher Straße dar. Doch wäre es reizvoll die darin vorgestellten Anfänge einer Geschichte der alten Anwesen selbst weiterzuführen und auszubauen – vielleicht sogar bis zum Ende des Spätmit-telalters. Dann hätten wir Anschluss an das wohl älteste vollständige Einwoh-nerverzeichnis, das 1497 erstellte Reichssteuerregister der Reichsstadt Nürnberg, das mein Kollege Peter Fleischmann 1993 als Edition vorgelegt hat.

Die von den Ständen beim Reichstag 1495 in Worms vorgebrachte Vorschlag einer allgemeinen, von der Bevölkerung zu entrichtenden Kopf- und Vermögenssteuer, sollte ihnen mehr Einfluß auf das System der Reichshilfe, mithin auf die königliche Politik selbst, sichern. Für uns heutigen stellen die Einzugslisten, die sich in Franken ganz oder teilweise für Markgraftümer, die Reichsstadt Nürnberg und die Reichspflege Weißenburg sowie für den Deutschen Orden und das Hochstift Eichstätt erhalten haben, eine vorzügliche Quelle dar. Die Listen geben bei Nürnberg den Namen des Haushaltsvorstandes, die Anzahl der in seinem Haushalt lebenden Personen über 15 Jahren, also alle Erwachsen einschließlich Verwandter und Gesinde, und die Steuersumme an.

Das Verzeichnis nennt unter der Hauptmannschaft zu Megeldorff auch die Siedlungen Lauffenholcz mit 44 Haushalten, Obernpurgles, mit dem Zwei-Personen-Haushalt des Fritz Reiffer, Mittelpug (mit dem des Ulrich Mayer) und Unnttern Purgles mit 2 Haushalten (Hans Zygler und Kuncz Wernla mit je 2 Personen), ferner die Mull bey Lauffenholz, die 1504 in der Nürnberger Landesbeschreibung am Vorabend des Landshuter Erbfolgekriegs nach ihrem Eigner auch Camersmühle genannt wird und die wir heute als Hammer kennen, mit 9 Haushalten. Dabei sind die Haushalte mit Häusern bzw. bäuerlichen Anwesen gleichzusetzen, gehörten zu jener Zeit Gesinde und Hausgenossen doch zur „Familia“ des Haushaltsvorstands.

In den 44 Haushalten in Laufamholz lebten 95 Erwachsene (also 1,3% des heutigen Standes!), mithin 2,43 Personen je Haushalt, was in etwa dem Durchschnitt des Amtes Mögeldorf (2,52 Pers./Haushalt) entsprach, aber doch deutlich unter dem des Landgebiets (2,78 Personen/Haushalt) bzw. etwa des Markgraftums Brandenburg-Ansbach (2,83 Personen/Haushalt) lag. Auf Grund der Altersstruktur der Elternschaft, so wird es eine Anzahl von Haushalten geben, wo eben keine Kinder unter 15 Jahren mehr vorhanden waren, und der hohen Kindersterblichkeit, starben doch bis in das 18. Jh. hinein 40 Prozent der Kinder ehe sie zwei Jahre alt waren, dürfen nicht mehr als 1,5 Kinder je Haushalt hinzugerechnet werden, weshalb wir von einer Gesamtbelegstärke von knapp 4 Personen je Haushalt auszugehen haben.

Bei genaueren Hinsehen ist zu bemerken, dass (in Bezug auf die Erwachsenen) die Zwei-Personenhaushalte mit 32 oder 80% (bzw. etwa 60% in Bezug auf die Bevölkerung) dominieren, des weiteren finden sich sechs 3-Personenhaushalte, drei 4-Personenhaushalte sowie je ein 7-, 5- und Ein-Personenhaushalt. So zeigt auch Laufamholz, wie das gesamte Reichssteuerverzeichnis (und übrigens wie auch die der zollerschen Fürstentümer), dass der Mythos der vorindustriellen Mehrgenerationenfamilie bei der drei Generationen nebst Gesinde unter einem Dach zusammengelebt haben sollen für das Spätmittelalter (und die frühe Neuzeit) so nicht zu halten ist.

Nur hinweisen kann ich zudem auf die Tatsache, dass generatives Verhalten wie Mobilität und Mobilitätsgrenzen die wenigsten Kinder Großeltern persönlich erlebt haben dürften. Im Klartext: Zum einen sorgte die kontinuierlich verlaufende Sterbekurve dafür, dass die Gesellschaft zwar noch alte Menschen kannte, aber die wenigsten ihre Kinder in der Reproduktionsphase erleben konnten. Und die Mobilität – die auch Laufamholz nicht unberührt ließ, finden sich doch auf einem Drittel (7 von 21) der Güter nur knapp fünf Jahre später andere Namen und bei dreien war wohl ein Erbgang erfolgt – sorgte für Ortswechsel der erwachsenen Kinder, wobei Entfernungen und Verkehrsverhältnisse dann verhinderten, dass Oma oder Opa mal schnell vorbeischaute.

Aber auch sozialgeschichtliche Aspekte können mit Hilfe des Reichssteuerverzeichnisses beantwortet werden, wobei sich mit den Beobachtungen Witteks für den Löffenholzschen Teil sowie für die spätere Zeit Übereinstimmungen ergeben: Laufamholz war kein Dorf großer Bauern, die zur Bewältigung der Arbeit Gesinde gebraucht hätten. Hier finden sich auch keine Vermögen von wenigstens 500 oder 1000 fl wie in den Gäulandschaften des Markgraftums Ansbach, die mit 1/2 oder gar einen ganzen Gulden besteuert werden konnten. Aber es finden sich auch kaum Häusler oder zur Miete wohnenden Hausgenossen, die ihren Lebensunterhalt durch Lohnarbeit bei den Bauern bestreiten konnten.

Im 18. Jh. bestand Laufamholz aus dem wohl im 14. Jh. begründeten Zeidelgut, 4 Höfen, 3 Seldengütlein, 27 Köblergütern, Forst- und Gemeindehaus - mithin aus 34 Privatanwesen. Für die Zeit am Ende des Alten Reiches, die Hans Hubert Hofmann als Bearbeiter des Bandes Nürnberg-Fürth des Histori-schen Atlases von Bayern, noch mit der Zeit vor den Revindikationen Hardenbergs 1792 ff. gleichsetzte, werden neben Zeidelgut und Hirtenhaus 38 Privatanwesen angegeben, womit der Ort immer noch kleiner war als am Ausgang des Spätmittelalters! Was freilich nichts ungewöhnliches ist, wenn wir Laufamholz mit anderen „Ausbausiedlungen“, etwa des Klosters Heilsbronn im Zenngrund, vergleichen. Dort, wo die Quellenlage uns Besitzerlisten und damit Einblicke in die Gegebenheiten bis zum Beginn des 15. Jh.s erlaubt, wird auch deutlich, dass manche der großen Anwesen erst im ausgehenden 15. bzw. bis zur Mitte des 16. Jh.s aus zwei, drei oder sogar vier kleineren Anwesen zusammengewachsen sind und man sich vielleicht noch bei einem Garten daran erinnert, dass hier einst eine Hofreite war. Denn Träger des Rechts war die Hofreite, der Platz, auf dem das Anwesen stand.

So können wir die Agrardepression des ausgehenden 14. und des 15. Jh.s, die auch in Franken zu zahlreichen partiellen und ganzen Ortswüstungen führte, als sozialen Ausdifferenzierungsprozess sehen, der Gesicht und Wesen der Dörfer änderte. Nicht immer muss ein großer Hof also ein „Urhof“, ein Siedlungskern sein – wie so oft kommt es auf den Einzelfall an, er konnte auch das Ergebnis einer Besitzkonzentration sein. Als Agrardepression wird seit dem großen Agrar- und Wirtschaftshistoriker Wilhelm Abel die Zeit der als Folge des Bevölkerungsrückgangs durch den Schwarzen Tod sinkenden Getreidepreise, die wiederum zur Aufgabe sogenannter Grenzertragsböden und damit auch von Siedlungen oder Anwesen, die auf ertragsschwächeren Böden angelegt waren.

Die Menschen in Laufamholz lebten im ausgehenden 18. Jh. als Bauern, Köbler und Seldner, jedenfalls soweit sie nicht zum (vielleicht vorhandenen) Gesinde, zu den gemeindlichen Angestellten, wie Hirten, oder zu den Hausgenossen, Menschen ohne eigenen Hausbesitz oder Mieter, gehörten. Der Bauer war Besitzer eines Gehöfts, d.h. eines Hauses, ahd. bur: Haus, noch erhalten in unserem Wort Vogelbauer, mit Feldern. Ursprünglich hatte der Köbler nur ein (kleines) Haus, einen Koben, ohne Feldbesitz, gleich dem Seldner/Söldner, in dessen Besitz sich das ahd.-Wort Saal für Herr versteckt. Dieses deutet darauf hin, dass ursprünglich hier ein Anwesen auf Herrenland gemeint war. Im 18. Jh. standen diese Bezeichnungen aber längst für Betriebsgrößen, wobei ein Köblergut in der Regel größer war als eine Selde und auch durch Teilhabe an den Gemeinderechten ausgezeichnet war. Auf die Gemeinde als mit der Herrschaft wechselwirkende genossenschaftliche Selbstorganisation kann ich hier nur aufmerksam machen.

Allen Bauern, Köblern und Seldnern aber war gemeinsam, dass sie ihr Anwesen zwar besassen, es ihnen aber nicht gehörte. In der sich seit dem frühen 11. Jh. auch in Franken durchsetzenden jüngeren Grundherrschaft lag die Herrschaft nicht mehr auf dem Leib, sondern sie ruhte auf dem Boden. Freilich setzte sich in einem wohl zwei Jahrhunderte dauernden Prozess gegenüber der Freistift, die ein jährliches Abstiften des Holden kannte, die Erbzinsleihe durch, die dem Holden das Recht zur Vererbung seines Gutes an seine Kinder zugestand. Aber immer noch galt, der Holde hatte nur das dominium utile, das Untereigentum, während das für unseren Eigentumsbegriff entscheidende Obereigentum, das dominium directum, dem Grundherrn zukam. Dieser konnte personal sein, wie etwa die Herrn v. Löffelholz (21 Anwesen), es konnte aber auch eine Institution sein, wie das Vogtamt Schönberg (3 Güter) oder das Pflegamt Schönberg (3 Güter). Erst die Ereignisse von 1848 werden zur Ablösung der Grundherrschaft führen und damit auch das Ende des Mittelalters in den Dörfern bedeuten. Der Landmann näherte sich damit dem Rechtsstand des Bürgers an, in dem wir heute noch den ahd. burgari, den Verteidiger einer bur(u)g, eines Turms, einer Burg, einer Stadt sehen können.

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