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Ritter - Bauern - Bürger
750 Jahre Laufamholz

1. Die Urkunde

Anno Domini MCCLVI in octava Fabiani et Sebastiani martirum XIIII? indictione - was umgerechnet den 27. Januar darstellt - machen H. scultetus et universi-tas civium Nurenbergensium ad noticiam universorum, also H(einrich), Schult-heiß, und die Gesamtheit der Nürnberger Bürger allen mit einer geschriebenen Urkunde bekannt, dass Herr Albert, gen. von Rückersdorf, dem Kloster des Hl. Petrus und dem ganzen Konvent von Kastl sein in Pettenhofen (heute LK Neumarkt) gelegenes Gut für eine gewisse Summe Geldes verkauft und durch Eidesleistung angezeigt hat, das genannte Gut nicht (nur) treuhänderisch (sondern wirklich) innezuhaben sowie dieses auch mit persönlich erfolgten Auftrag sowie mit Zustimmung und guten Willen seiner Mutter, der Brüder und verschiedener Miterben zu ewigem Besitz übergeben hat. Unter den Zeugen sind die Ritter Ulrich von Laufenholtz, Heinrich sein Bruder und Volknand de Rugersdorf (Rückersdorf) sowie dessen Bruder Gottfried, der kein Ritter ist.

Wir haben hier einen ganz normalen Vorgang vor uns, wie er -zig-Mal erfolgt sein wird: Albert v. Rückersdorf hat dem Kloster Kastl ein Gut in Pettenhofen verkauft und übergibt dies, nachdem er die Zustimmung seiner Verwandten ein-geholt und die Versicherung des wirklichen Eigentums abgegeben hat, dem Käufer zu wirklichen Eigen. Das Gut war also kein Lehen, sondern Allod. Unter den drei ritterlichen Zeugen stehen die Brüder Ulrich und Heinrich von Laufen-holz sein Bruder an erster Stelle, was auf ein gewisses Prestige dieser Reichsministerialen hindeutet. Festzuhalten bleibt, dass in der Urkunde nicht die Siedlung Laufamholz genannt ist, sondern Adelige auftreten, die sich nach dieser benennen.

2. Die Ritter

Die Genealogie der Laufamholzer hat Ansgar Wittek in seiner 1984 vorgeleg-ten Stadtteilgeschichte soweit es ihm für sein Anliegen notwendig schien nachgezeichnet. Wir gewinnen damit einen Einblick in eine Schicht, deren Aufgabe der Krieg wie die Verwaltung im Dienste eines Mächtigeren waren und die wir nach den Quellen als "Ministeriales" - also unfreie Diener - oder Dienstmannen nennen. Zweifellos gehören die Laufenholz zur Schicht der Reichsministerialen, wobei ich Zotz folge und dies bis ins frühe 12. Jh. primär als Funktions- und nicht Standesbezeichnung sehe, was sich in der Zeit der großen Staufer ändern sollte.

Die aus königlicher, kirchlicher oder edelfreier Ministerialität stammenden Geschlechter haben eines gemeinsam: Sie waren zunächst persönlich unfreie Dienstmannen eines Mächtigeren und hatten sich im Zuge der großen Verän-derungen des späten 12. und vor allem des 13. Jahrhunderts verbessern können. Entscheidend war hier wohl die Schwächung der Königsmacht im großen Interregnum nach dem Tod König Konradins am 21. Mai 1254 bis zum Regierungsantritt Rudolfs v. Habsburg im Oktober 1273, wobei die Stärkung der geistlichen und weltlichen Territorialherren durch Kaiser Friedrich II. schon zweifellos die Basis für die Partikularisierung des Reiches gelegt hatte. Auch wenn die Ritter und Edelknechte wie im 11. Jh. formal weiterhin zur familia ihres Dienstherren gerechnet werden, so steigen sie doch in die Ebene der Herrschildordnung auf, wo sie die breite Basis bilden. Persönlich frei geworden, konnten sie eigenen Besitz, Allodialgut, erwerben.

Und dieser Allodialbesitz wird im 13. Jahrhundert zur "Familiennamenbildung" herangezogen: so treten, nur um etliche Beispiele zu nennen, die Adelsheim, Rosenberg, Seckendorff, Wollmershausen und eben auch die Immeldorfer und Laufenholzer als solche in das Rampenlicht der Geschichte. Freilich handelt es sich dabei immer nur um einen Zweig einer mehr oder weniger kopfstarken Sippe und so verwundert es nicht, dass für scheinbar unabhängige Familien zuweilen ein gemeinsamer Spitzenahn nachzuweisen ist. Als Beispiel ließen sich die in den alten Reichslanden bei Nürnberg ansässigen Leonrod-Buttendorf anführen, wie die 1278 genannten Brüder Johannes und Gottfried zeigen, wobei nicht die noch heute eindrucksvolle Ruine Leonrod Stammsitz war, sondern der weitgehend eingeebnete Burgstall bei Buttendorf. Freilich fließen die Schriftquellen aus der entscheidenden Zeit vor der Emanzipation des Niederadels recht spärlich, was nicht nur ein Überlieferungsproblem ist. Bediente sich der Ministerialenadel doch erst relativ spät, ab der Mitte des 13. Jh.s, bei seinen zunächst wenigen Rechtsgeschäften der Schriftlichkeit.

Was waren das nun für Leute, die Ritter von Laufamholz? Individuell können wir es nicht beantworten, ob sie gute Menschen oder Bösewichte, tüchtig oder faul gewesen sind, wir können sie nur als Mitglieder einer, ihrer, sozialen Schicht erfassen. Zunächst: Sie stammten sicherlich nicht aus Laufamholz. Ich sehe zudem keinen Beweis, dass die Brüder Brun, Ulrich, Heinrich und Konrad Söhne des 1200 als Verwalter des Reichsgutes Mögeldorf und 1213 als Butigler in Nürnberg genannten Reimar waren. Auch wenn die Lebensdaten (wir haben ja nur Nennungen!) passend sind, spricht doch (und entscheidend) dagegen, dass

der patrilineare Leitname Reimar über die namentlich ungenannt gebliebene Schwester der Laufenholzer in die Familie gekommen ist (und Reimar 1261 von Konrad v. Laufenholz ja auch als cognatus meus, also Schwesterkind, bezeich-net wird).

Sehen wir uns weiter um: 1222 kommt es zu Differenzen zwischen dem Ritter Burchard von Immeldorf (bei Lichtenau) und dem Priester Ulrich von Dornhau-sen, Kanoniker zu Herrieden und Pfarrer zu Aha (südl. Gunzenhausen) wegen des Patronats der Kapelle zu Pflaumfeld (Heidingsfelder Nr. 597). 1241/42 machen die Brüder des Deutschen Hauses in Nürnberg bekannt, dass der Vorgänger des jetzigen Komturs Berthold, Konrad, der zwischen 1236 und 1241 amtiert hat, dem Albrecht von Immeldorf eine Mühle in Dietenhofen verkauft hat (NUB Nr. 284). 1243 tritt uns dann - zeitgleich mit einem ziemlich am Ende einer Zeugenreihe stehenden Bruno de Norinberc (NUB 317) - ein Bruno v. Immeldorf entgegen. Ein Bruno von Immeldorf fungiert 1245 Juli 18 als Zeuge, als Bischof Heinrich von Eichstätt dem Grafen Ludwig d.J. von Oettin-gen Lehen in Hagenbuch verleiht (MB 49 Nr. 46). 1246 taucht in einer Schen-kung an die Magdalenerinnen in der Zeugenreihe ein Bruno filius Reimari auf (NUB 332); warum nach dem Vater und nicht nach Stand und Sitz benannt? Zwei Jahre später, 1248 Juni 24, steht Bruno dapifer von Immeldorf in der Zeugenreihe der Einigung Bischof Friedrichs mit Gerhard von Hirschberg wegen etlicher Rechte in der Stadt und im Hochstift Eichstätt stehen (MB 49 Nr. 50).

1273 schenkt ein Bruno v. Immeldorf, sicherlich mit Zustimmung seiner in der Urkunde genannten Brüder Konrad und Heinrich v. Laufenholz sowie der durch ihren Sohn Reimar vertretenen Schwester, die Gerasmühle und Deutenbach an Kloster Engelthal. Eine Schenkung vielleicht am Lebensabend für das Seelen-heil, denn weitere Nennung des Bruno sind nicht mehr bekannt. Möglicherwei-se ist es wirklich dieser Bruno, der sich 1269 nach Schönberg nennt oder benannt wird und diese Burg wohl in Gemeinschaft mit den bereits 1255 dort genannten Brüdern Leupold und Eberhard v. Schönberg innehat. Allerdings ist nicht zu beurteilen, ob der bis in das 15. Jh. als Reichslehen genannte Besitz der Laufenholz in Schönberg, so empfängt etwa Konrad 1405 März 26 einen Hof und ein Gut (Reg. Imp.), auf diese Wurzeln zurückgeht. Ebenso herrscht über das 1248 greifbare, später wohl aufgegebene oder verlorene eichstätti-sche Truchsessenamt Unklarheit. Im übrigen zeigt das Beispiel Schönberg deutlich, dass auch gleiche "Familiennamen" keineswegs genealogische Beziehungen ausdrücken und bei der Konstruktion von Filiationen - also direkten Abstammungen - Vorsicht angebracht ist. Deshalb meine ich, dass es sich angesichts der Umstände bei Bruno de Norinberc sowie Bruno, dem Sohn Reimars, und dem Ritter Bruno, der sich nach Immeldorf und Schönberg nannte und nachweisbar ein Bruder der Laufenholzer war, vielleicht doch um zwei oder gar drei verschiedene Personen handeln dürfte.

Es drängt sich damit die Frage auf, ob die Wurzeln der Ritter von Laufamholz nicht bei Nürnberger Reichsdienstmannen, sondern in der eichstättischen Ministerialität oder bei den Reichsministerialität um Ansbach, dem Machtbe-reich der Dornberger, der staufischen Untervögte über das Stift St. Gumbert, gesucht werden müssen? Wir dürfen die überregionale Spannkraft solcher "Beamtenfamilien" nicht unterschätzen. Sicher ist jedoch bislang nur, dass die Laufamholzer Teil einer verzweigten Ministerialensippe sind, die wohl auch in eichstättische Hofdienste gelangte, dann aber wie andere ihrer Standesgenos-sen zur Sicherung der wichtigen Verbindung zwischen dem Reichsgut um Nürnberg und den um Eger eingesetzt worden sind.

Nicht vergessen möchte ich den Hinweis, dass - wenn wir von Familie reden - wir immer noch unser seit dem Hochmittelalter als eine Folge des Investitur-streits dominierendes Modell von Mann, Frau und (legitimen) Kind(ern) vor Augen haben. Die anderen, dem geistlich und sozial motivierten Zugriff der Kirche erlegenen und bis zum 13. Jh. vielleicht auf der Ebene des Ritteradels noch vorhandenen Modelle, wie etwa der Friedelehe, sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Vielleicht müssen wir für die Zeiten, denen wir uns jetzt gewidmet haben, unsere Fragen nach der Filiation, der Familie und nach familiären Zusammenhängen einfach anders formulieren.

Grundsätzlich ist die Wichtigkeit der bis in die Einzelheiten sicher nie mehr klärbaren genealogischen Zusammenhänge nicht zu bestreiten. Sie gilt nicht nur für die heutige Wertung besitzgeschichtlicher und damit territorialpolitischer Vorgänge, sondern auch für die rechtliche und sozioökonomische Einbettung der ritteradeligen Familien und ihr eigenes Selbstverständnis. Das diffizile Verwandtschaftsgerüst mit dem der große Wolfram v. Eschenbach nicht nur die Menschen (oder sollen wir sagen: Charaktere) seiner genialen Schöpfungen "Parzival" und "Willehalm" ausgestattet hat, sondern auch die Pferde, beweist deutlich wie kein anderes Beispiel den Wert der Sippenverbände (und darü-berhinaus auch die Wertschätzung für die Ritterpferde).

Der sechste Herrschild, der Stand der Einschildritter, die nur Lehen nehmen, aber keine mehr vergeben konnten und deren Aufgebot nur in einem einzigen, nämlich ihrem eigenen Schild bestand, bildete keinen monolithischen Block, sondern war in sich wiederum geschichtet. Für die Fremd- wie Selbsteinschät-zung einer Familie war nicht allein der materielle Besitz ausschlaggebend, sondern auch das am Anfang der "Familiengeschichte" stehende Dienstver-hältnis. Noch im 16. Jahrhundert muß das Prestige der alten Reichsdienstman-nensippen demjenigen der landesherrlichen überlegen gewesen sein. Denn nur so ist erklärbar, dass die eng mit dem Hause Zollern verbundenen Seckendorff, die im 14. Jahrhundert in die oberen Positionen des Niederadels einrückten und mit Burkard v. Seckendorff-Jochsberg (1332-1365) an der Schwelle zur eigenen Territorialherrschaft gestanden haben, versuchten, mit Hilfe einer Wappensage ihre Nobilitierung dem Kaiser Heinrich II. (1002-1024) unterzu-schieben. Doch wenn sich das Haus Habsburg auf Aeneas zurückführte, wer mag einem fränkischen Reichsritter verdenken, wenn er doch nur ein wenig vom kaiserlichen Glanz okkupiert?

Allen Ritteradeligen war gemeinsam, dass sie (wenn auch nicht nur) von Grundrenten lebten, Gerichtsherrschaft ausübten und durch ein gemeinsames Gruppengefühl verbunden waren und selbstredend waren sie passiv lehenfähig und konnten in Ausnahmefällen sogar Aktivlehen an Einschildritter und Bürger vergeben.

Freilich ziehen sich die Laufamholzer in einen Jahrzehnte dauernden Prozeß schon vor Mitte des 14. Jh.s aus der Umgebung der ausgreifenden Reichsstadt zurück und setzen sich in Reichmannsdorf, Ober- und Untermelsendorf bei Schlüsselfeld fest. Allerdings gelang dem Geschlecht die dauerhafte Etablie-rung in der Reichsritterschaft nicht; für ein biologisches Überleben waren drei männliche Vertreter in einer Generation wohl einfach zu wenig: 1537 erlosch das Geschlecht im Mannesstamm mit Wilhelm v. Laufenholz zu Melsendorf - der Wappenschild wurde gestürzt. Der Schild war geteilt, oben Gold und unten 4 zu 4 zu 2 geschacht von Silber und Blau. So gibt es jedenfalls die älteste mir bekannte Tingierung von 1583 aus einem Nürnberger Wappenbuch wieder (StAN, Rst N, Hs. 223, fol. 1) und auch das vom Maler Paul Reinhard gestaltete Wappenbuch des Heinrich Maximilian Ölhafen von ca. 1587 (ebenda 225, fol. 71) zeigt das Wappen so. Wenngleich manches für diese Tingierung spricht, so ist aber doch zu beachten, dass zu dieser Zeit der Schild der Laufamholzer schon 50 Jahre gestürzt war. Und die Siegel, wobei ich relativ gut erhaltene, wie dasjenige am Lehenrevers des Eberhard v. Laufenholtz gegen Markgraf Albrecht von Brandenburg 1482 Dez. 28 über Güter in Neustadt a.d. Aisch (Fm AN, Lehenurk. 3106), nur aus dem 15. Jh. ermitteln konnte, zeigen uns zwar das Wappenbild, aber nicht dessen Einfärbung.

3. Die Burg

Wann die seit dem 15. Jh. Unterbürg genannte Anlage am Pegnitzlauf ent-standen ist wissen wir nicht; erstmals direkt greifbar wird sie 1363, als Leupold Groß der Stadt Nürnberg das Öffnungsrecht für sein "Stainhaus ze Lauffenholtz in dem Weyer gelegen" verspricht. Befestigungstechnisch gesehen könnte die Wasserburg bereits in der ersten Hälfte des 13. Jh.s entstanden sein, hier kann nur die Archäologie Klarheit bringen.

Dagegen ist die Entwicklung und Geschichte der aus einer Besitzteilung der Brüder Hans d.Ä. und Hans d.J. hervorgegangenen Oberbürg Dank der Arbeit Ansgar Witteks klar, wobei es sich aber vielleicht doch um eine Gründung auf wilder Wurzel und nicht um einen Umbau des Wirtschaftshofs handeln mochte. Denn ein solcher lag mir auf ungünstigem Terrain doch etwas zu weit vom Turm ab. Dass aus genealogischen Gründen, weil der Bruder als Ritter eben auch einen Sitz brauchte, eine Anlage neu errichtet worden ist, das ist ja nicht ungewöhnlich und ich beschränke mich hier mit dem Hinweis auf die seckendorffischen Anlagen in Obern- und Unternzenn. Ebenso kommt es bis in das 17. Jh. hinein vor, dass "veste Häuser" auf wilder Wurzel begründet wurden, wie das Haus des reichen Nold in Trautskirchen (zwischen 1343 und 1345), der zu Beginn des 16. Jh.s von den Crailsheim zu einem Herrensitz umgebaute Hof in Erkenbrechtshausen und der erst im 17. Jh. zum "Schlöss-lein" ausgebaute Hof in Deberndorf bei Cadolzburg zeigen.

4. Die Siedlung

Wie es auch war: Die Siedlung Laufamholz ist älter als die Wasserburgen, die beide auch erst im Laufe des 15. Jh.s., als zwei Vesten eine neue Benennung nötig machten, zu einem eigenen Namen kamen. In der Siedlung dürfen wir sicherlich ein Produkt des Landesausbaus im 11./12. Jh. sehen. Kirchlich gehörte der Ort bis zur Errichtung der heutigen Gotteshäuser nach dem Zwei-ten Weltkrieg zu Mögeldorf, weltlich unterstand er bis zur Etablierung der genannten Reichsministerialen wie Mögeldorf dem Königshof Altdorf. Die Einheit der Herrschaft zerfiel im 14. Jahrhundert und am Ende des Alten Reiches werden hier die Nürnberger Patrizier den Ton angeben. Allerdings können sie die Zollern, die zu Kurfürsten und Königen aufgestiegenen Enkel der alten Burggrafen von Nürnberg, nie gänzlich ausschalten

Als altes dörfliches Zentrum stellt sich nach den Arbeiten Ansgar Witteks die heutigen Winner Zeile und die Hirschbacher Straße dar. Doch wäre es reizvoll die darin vorgestellten Anfänge einer Geschichte der alten Anwesen selbst weiterzuführen und auszubauen - vielleicht sogar bis zum Ende des Spätmit-telalters. Dann hätten wir Anschluss an das wohl älteste vollständige Einwoh-nerverzeichnis, das 1497 erstellte Reichssteuerregister der Reichsstadt Nürn-berg, das mein Kollege Peter Fleischmann 1993 als Edition vorgelegt hat.

Die von den Ständen beim Reichstag 1495 in Worms vorgebrachte Vorschlag einer allgemeinen, von der Bevölkerung zu entrichtenden Kopf- und Vermögenssteuer, sollte ihnen mehr Einfluß auf das System der Reichshilfe, mithin auf die königliche Politik selbst, sichern. Für uns heutigen stellen die Einzugslisten, die sich in Franken ganz oder teilweise für Markgraftümer, die Reichsstadt Nürnberg und die Reichspflege Weißenburg sowie für den Deut-schen Orden und das Hochstift Eichstätt erhalten haben, eine vorzügliche Quelle dar. Die Listen geben bei Nürnberg den Namen des Haushalts-vorstandes, die Anzahl der in seinem Haushalt lebenden Personen über 15 Jahren, also alle Erwachsen einschließlich Verwandter und Gesinde, und die Steuersumme an.

Das Verzeichnis nennt unter der Hauptmannschaft zu Megeldorff auch die Siedlungen Lauffenholcz mit 44 Haushalten, Obernpurgles, mit dem Zwei-Personen-Haushalt des Fritz Reiffer, Mittelpug (mit dem des Ulrich Mayer) und Unnttern Purgles mit 2 Haushalten (Hans Zygler und Kuncz Wernla mit je 2 Personen), ferner die Mull bey Lauffenholz, die 1504 in der Nürnberger Lan-desbeschreibung am Vorabend des Landshuter Erbfolgekriegs nach ihrem Eigner auch Camersmühle genannt wird und die wir heute als Hammer kennen, mit 9 Haushalten. Dabei sind die Haushalte mit Häusern bzw. bäuerlichen Anwesen gleichzusetzen, gehörten zu jener Zeit Gesinde und Hausgenossen doch zur "Familia" des Haushaltsvorstands.

In den 44 Haushalten in Laufamholz lebten 95 Erwachsene (also 1,3% des heutigen Standes!), mithin 2,43 Personen je Haushalt, was in etwa dem Durch-schnitt des Amtes Mögeldorf (2,52 Pers./Haushalt) entsprach, aber doch deutlich unter dem des Landgebiets (2,78 Personen/Haushalt) bzw. etwa des Markgraftums Brandenburg-Ansbach (2,83 Personen/Haushalt) lag. Auf Grund der Altersstruktur der Elternschaft, so wird es eine Anzahl von Haushalten geben, wo eben keine Kinder unter 15 Jahren mehr vorhanden waren, und der hohen Kindersterblichkeit, starben doch bis in das 18. Jh. hinein 40 Prozent der Kinder ehe sie zwei Jahre alt waren, dürfen nicht mehr als 1,5 Kinder je Haus-halt hinzugerechnet werden, weshalb wir von einer Gesamtbelegstärke von knapp 4 Personen je Haushalt auszugehen haben.

Bei genaueren Hinsehen ist zu bemerken, dass (in Bezug auf die Erwachse-nen) die Zwei-Personenhaushalte mit 32 oder 80% (bzw. etwa 60% in Bezug auf die Bevölkerung) dominieren, des weiteren finden sich sechs 3-Personenhaushalte, drei 4-Personenhaushalte sowie je ein 7-, 5- und Ein-Personenhaushalt. So zeigt auch Laufamholz, wie das gesamte Reichssteuer-verzeichnis (und übrigens wie auch die der zollerschen Fürstentümer), dass der Mythos der vorindustriellen Mehrgenerationenfamilie bei der drei Generationen nebst Gesinde unter einem Dach zusammengelebt haben sollen für das Spätmittelalter (und die frühe Neuzeit) so nicht zu halten ist.

Nur hinweisen kann ich zudem auf die Tatsache, dass generatives Verhalten wie Mobilität und Mobilitätsgrenzen die wenigsten Kinder Großeltern persönlich erlebt haben dürften. Im Klartext: Zum einen sorgte die kontinuierlich verlaufende Sterbekurve dafür, dass die Gesellschaft zwar noch alte Menschen kannte, aber die wenigsten ihre Kinder in der Reproduktionsphase erleben konnten. Und die Mobilität - die auch Laufamholz nicht unberührt ließ, finden sich doch auf einem Drittel (7 von 21) der Güter nur knapp fünf Jahre später andere Namen und bei dreien war wohl ein Erbgang erfolgt - sorgte für Ortswechsel der erwachsenen Kinder, wobei Entfernungen und Verkehrsverhältnisse dann verhinderten, dass Oma oder Opa mal schnell vorbeischaute.

Aber auch sozialgeschichtliche Aspekte können mit Hilfe des Reichssteuerverzeichnisses beantwortet werden, wobei sich mit den Beobachtungen Witteks für den Löffenholzschen Teil sowie für die spätere Zeit Übereinstimmungen ergeben: Laufamholz war kein Dorf großer Bauern, die zur Bewältigung der Arbeit Gesinde gebraucht hätten. Hier finden sich auch keine Vermögen von wenigstens 500 oder 1000 fl wie in den Gäulandschaften des Markgraftums Ansbach, die mit 1/2 oder gar einen ganzen Gulden besteuert werden konnten. Aber es finden sich auch kaum Häusler oder zur Miete wohnenden Hausgenossen, die ihren Lebensunterhalt durch Lohnarbeit bei den Bauern bestreiten konnten.

Im 18. Jh. bestand Laufamholz aus dem wohl im 14. Jh. begründeten Zeidelgut, 4 Höfen, 3 Seldengütlein, 27 Köblergütern, Forst- und Gemeindehaus - mithin aus 34 Privatanwesen. Für die Zeit am Ende des Alten Reiches, die Hans Hubert Hofmann als Bearbeiter des Bandes Nürnberg-Fürth des Historischen Atlases von Bayern, noch mit der Zeit vor den Revindikationen Hardenbergs 1792 ff. gleichsetzte, werden neben Zeidelgut und Hirtenhaus 38 Privatanwesen angegeben, womit der Ort immer noch kleiner war als am Ausgang des Spätmittelalters! Was freilich nichts ungewöhnliches ist, wenn wir Laufamholz mit anderen "Ausbausiedlungen", etwa des Klosters Heilsbronn im Zenngrund, vergleichen. Dort, wo die Quellenlage uns Besitzerlisten und damit Einblicke in die Gegebenheiten bis zum Beginn des 15. Jh.s erlaubt, wird auch deutlich, dass manche der großen Anwesen erst im ausgehenden 15. bzw. bis zur Mitte des 16. Jh.s aus zwei, drei oder sogar vier kleineren Anwesen zusammengewachsen sind und man sich vielleicht noch bei einem Garten daran erinnert, dass hier einst eine Hofreite war. Denn Träger des Rechts war die Hofreite, der Platz, auf dem das Anwesen stand.

So können wir die Agrardepression des ausgehenden 14. und des 15. Jh.s, die auch in Franken zu zahlreichen partiellen und ganzen Ortswüstungen führte, als sozialen Ausdifferenzierungsprozess sehen, der Gesicht und Wesen der Dörfer änderte. Nicht immer muss ein großer Hof also ein "Urhof", ein Siedlungskern sein - wie so oft kommt es auf den Einzelfall an, er konnte auch das Ergebnis einer Besitzkonzentration sein. Als Agrardepression wird seit dem großen Agrar- und Wirtschaftshistoriker Wilhelm Abel die Zeit der als Folge des Bevölkerungsrückgangs durch den Schwarzen Tod sinkenden Getreidepreise, die wiederum zur Aufgabe sogenannter Grenzertragsböden und damit auch von Siedlungen oder Anwesen, die auf ertragsschwächeren Böden angelegt waren.

Die Menschen in Laufamholz lebten im ausgehenden 18. Jh. als Bauern, Köbler und Seldner, jedenfalls soweit sie nicht zum (vielleicht vorhandenen) Gesinde, zu den gemeindlichen Angestellten, wie Hirten, oder zu den Hausgenossen, Menschen ohne eigenen Hausbesitz oder Mieter, gehörten. Der Bauer war Besitzer eines Gehöfts, d.h. eines Hauses, ahd. bur: Haus, noch erhalten in unserem Wort Vogelbauer, mit Feldern. Ursprünglich hatte der Köbler nur ein (kleines) Haus, einen Koben, ohne Feldbesitz, gleich dem Seldner/Söldner, in dessen Besitz sich das ahd.-Wort Saal für Herr versteckt. Dieses deutet darauf hin, dass ursprünglich hier ein Anwesen auf Herrenland gemeint war. Im 18. Jh. standen diese Bezeichnungen aber längst für Betriebsgrößen, wobei ein Köblergut in der Regel größer war als eine Selde und auch durch Teilhabe an den Gemeinderechten ausgezeichnet war. Auf die Gemeinde als mit der Herrschaft wechselwirkende genossenschaftliche Selbstorganisation kann ich hier nur aufmerksam machen.

Allen Bauern, Köblern und Seldnern aber war gemeinsam, dass sie ihr Anwesen zwar besassen, es ihnen aber nicht gehörte. In der sich seit dem frühen 11. Jh. auch in Franken durchsetzenden jüngeren Grundherrschaft lag die Herrschaft nicht mehr auf dem Leib, sondern sie ruhte auf dem Boden. Freilich setzte sich in einem wohl zwei Jahrhunderte dauernden Prozess gegenüber der Freistift, die ein jährliches Abstiften des Holden kannte, die Erbzinsleihe durch, die dem Holden das Recht zur Vererbung seines Gutes an seine Kinder zugestand. Aber immer noch galt, der Holde hatte nur das dominium utile, das Untereigentum, während das für unseren Eigentumsbegriff entscheidende Obereigentum, das dominium directum, dem Grundherrn zukam. Dieser konnte personal sein, wie etwa die Herrn v. Löffelholz (21 Anwesen), es konnte aber auch eine Institution sein, wie das Vogtamt Schönberg (3 Güter) oder das Pflegamt Schönberg (3 Güter). Erst die Ereignisse von 1848 werden zur Ablösung der Grundherrschaft führen und damit auch das Ende des Mittelalters in den Dörfern bedeuten. Der Landmann näherte sich damit dem Rechtsstand des Bürgers an, in dem wir heute noch den ahd. burgari, den Verteidiger einer bur(u)g, eines Turms, einer Burg, einer Stadt sehen können.

5. Die Bürger

Es gab einmal ein Kinderspiel, bei dem es galt, wenigstens einen der Mitspie-ler durch Abklatschen - also durch Berührung mit der Hand - gefangenzuneh-men. Freilich hatte auch der mit den Beinen nicht ganz so Flinke eine Chance, sich zu retten: Wenn es ihm nämlich gelang, kurz vor der Touchierung durch den Fänger drei Mal an eine Wand zu klopfen, so war er vor der Nachstellung geschützt und (wenigstens bis zur nächsten Runde) vor weiterer Verfolgung frei. Hierin dürfen wir ein in die kindliche Sphäre transferiertes Gedenken an den Schutz einer Mauer, einer Stadtmauer, vor der Verfolgung durch einen Herren, einen Leibherren, sehen. Die Stadt als Ort von Freiheit: Stadtluft macht frei und kein Huhn - das Symbol der Leibeigenschaft - flattert über die Mauer. In der Stadt gab es (vereinfacht gesprochen) keine Leib- und keine Grundherr-schaft, hier herrschte die bürgerliche Genossenschaft selbst. Grad und Intensi-tät dieser Herrschaft wurden dabei allein von der Macht des Stadtherrn be-grenzt, bei dem es sich um den Landesherrn oder, wie im Falle von Nürnberg, auch um den König selbst handeln konnte. Letzteres stellte die Kommune als Reichsstadt in die erste Reihe ihrer Schwestern, legte ihr und ihren Bürgern aber auch manche Last auf und ließ - wie Nürnberg am Ende des Alten Reiches spüren musste - den Stand (oder wir wir heute sagen würden: das Sozialprestige) bitter werden.

Freilich bot das heute für seine fränkischen Erwerbungen so viel gescholtene Bayern seinen neuen Untertanen auch manche Chance, wie nicht zuletzt die in der Landesausstellung 1906 in Nürnberg so stolz gezeigte Entwicklung zu einem der führenden Industriestandorte des Königreichs zeigte. Im neuen Bayern bildete das mit den Ansässigmachungs- und Verehelichungsgesetzen von 1825, 1834 und 1866 gefasste "Heimatrecht" einen wichtigen Teil staatli-cher Armenfürsorge. Dass diese restriktiv war und Niederlassung wie Heiratser-laubnis an strenge Erwartungen an den "Nahrungserwerb" band, ist aus den engen Ressourcen der damaligen Gesellschaft erklärbar. Denn die Heimatge-meinde hatte für in Not gekommene einzustehen und diese wollte, sie durfte sich auch nicht überlasten.

Ein Mittel zur Steuerung war dabei auch der Erwerb des Bürgerrechts, der für finanzielle Möglichkeiten wie für Engagement für das Gemeinwesen stand. Der Erwerb von Menschenrechten, und das bald mit dem Bürgerrecht synoym gesetzte Recht auf Heimat ist zweifellos ein solches, nur auf Grund finanzielle Möglichkeiten war und ist in demokratischer Sicht mit Fug und Recht unan-nehmbar. So gestand auch die erste deutsche Demokratie moderner Prägung, die Weimarer Republik, 1919 allen deutschen Gemeindeeinwohnern grundsätz-lich das Bürgerrecht einer Gemeinde zu. Aber es sollten noch fast zwanzig Jahre vergehen, bis auch die Laufamholzer Bürger im eigentlichen Sinne, d.h. Einwohner einer Stadt, geworden sind.

Margit Hagen hat die Entwicklung der Gemeinde Laufamholz in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen untersucht, als nicht nur der Abriss des Hirtenhauses 1926 für das Ende des Dorfes stand, sondern auch die Ansied-lung respektabler Industriebetriebe wie der 1923 gegründeten Metallwarenfab-rik Max Kreß. Der Bau von Mehrfamilienhäusern, aber auch von noch heute beeindruckenden Villen trug diesen sich verändernden Bedingungen Rech-nung. Schon in den 1920er Jahren war Laufamholz auch in das Visier der Nürnberger geraten, die weitere Ausdehnungsmöglichkeiten suchten, wobei finanzkräftige Gemeinden als Ortsteile, wie die Eingemeindungswelle von 1899 (mit Mögeldorf) gezeigt hatte, nicht unwillkommen waren. Möglicherweise spielte bei der Entscheidung, Laufamholz mit Wirkung vom 1. April 1938 in die "Stadt der Reichsparteitage" einzugliedern auch die Tatsache eine Rolle, dass mit den sich ab 1935 konkretisierenden Planungen für das Reichsparteitagsge-lände eine Ausdehung nach Süden hin zumindest erschwert wurde. Und vielleicht wollte man auch im Osten näher an das entstehende Autobahnnetz heranrücken, war die Stadt doch seit 1934 Sitz der Obersten Bauleitung Nürnberg des Unternehmens Reichsautobahn.

Mancher mag nun drüber nachsinnen, ob die Eingemeindung mit Wirkung zum 1. April 1938 für Ort und Bürger sinnvoll war, sich besser bei einer der Gemeinden des Speckgürtels um Nürnberg aufgehoben fühlen. Ein mühsiges oder, wie man zuweilen spöttisch sagt, ein akademisches Unterfangen: die Verhältnisse sind, wie sie sind. Aber kaum einer, der diesen Vorschlag bedenkt, wird im Gedächtnis haben, dass er sich damit den mittelalterlichen Verhältnis-sen anschließt, in denen wir Laufamholz säuberlich vom Machtzentrum Nürn-berg scheiden müssen.

6. Schlussbemerkung

Auf den Tag genau heute vor 750 Jahren taucht Laufamholz als Wohnsitz zweier Reichsministerialer, der Brüder Ulrich und Heinrich von Laufenholz, aus dem Dunkel der Geschichte auf - ein Anlass zum Gedenken. Wenn wir anstatt dieser abstrakten Zahl 750 einmal "fünfundzwanzig Generationen" sagen, gewahren wir im Geist die lange Kette an Menschen, die hier an diesem Ort lebten und starben, bis aus Laufenholcz mit seinen uns heute so primitiv anmutenden Holz- und Lehmgebäuden der heutige Stadtteil mit seinen Villen, Häusern und Wohnungen von hoher Annehmlichkeit und Komfort gewachsen ist.

Solche Rückbesinnung stiftet Tradition. Wir müssen die Geschichte kennen, um das Heute zu erklären und das Morgen gestalten zu können, oder kürzer: Zukunft braucht Herkunft - Geschichte als wichtiger Teil politischer Bildung, in Umbruchzeiten wie heute, wichtiger denn je. Der Blick zurück macht deutlich, dass wir nicht das Ende, sondern nur das Glied einer Kette sind, dem sich andere anschließen werden, was ein entscheidendes Mehr an Verantwortung fordert. So lenkt die Kenntnis der Geschichte den Blick auch in die Zukunft und zeigt uns, dass der Einsatz für die Heimat, der auch ein Einsatz für unsere persönliche Identität ist, ein lohnender ist. Aber lassen Sie mich schließen mit dem Hinweis, dass wir Jubiläen vielleicht auch als Teil unseres Menschseins verstehen können - denn nur der Menschen hat ein Bewußtsein seiner Ge-schichte und bemüht sich deswegen um deren Erforschung. Ein Thema, meine Damen und Herren, wie geschaffen für ein Gespräch bei einem Glas guten Getränks ...

Gerhard Rechter

obelisk